Tja, so langsam heißt es Abschied
nehmen. Kommenden Sonntag ist es soweit, dann sitze ich gegen 08:15 h wieder im
Flieger in Richtung Heimat.
Vor einigen Minuten habe ich mein
Feedback an African Impact abgegeben. Eine Frage von dem Bogen lautete „Was war
dein Highlight während deiner Projekttätigkeit?“. Hmmm, das ist so eine
komische Frage, die ich ähnlich gestellt des öfteren von Andi zu hören bekomme
(„Schatz, was hat dir am besten gefallen?“). Auch da weiß ich nie, was ich darauf
antworten soll, weil ich mir angewöhnt habe bzw. mich darin übe, Dinge und
Ereignisse gleichgültig zu betrachten. Ja, ja, ihr habt schon richtig gelesen,
aber ich meine es wortwörtlich im Sinne von „gleich-gültig“. Ich mag diese Sichtweise, weil sie bedeutet,
dass nichts ausdrücklich hervorgehoben werden muss, um als besonders wertvoll
betrachtet zu werden. Wenn man einfach mal nur genau hinschaut, und ich meine
wirklich nur hinschauen, ohne zu bewerten, erkennt man irgendwann wie besonders
und einzigartig jeder Umstand an sich schon
ist ohne etwas dafür tun zu müssen. Man stellt fest, dass es nur im Auge des
Betrachters liegt, wie er etwas
empfindet und dass Selbstverantwortung eines der größten Geschenke ist. Also,
warum soll ich mich des natürlichen Reichtums an wertvollen Augenblicken
berauben, indem ich anfange bestimmte
Dinge auszuklammern, weil ich sie als schlecht bewerte oder nur die hervorhebe,
die ich besonders toll finde?
Ich habe African Impact
geantwortet, dass ich die ganze Reise, also nicht nur das Projekt, als Highlight erlebe, weil jede hier gemachte
Erfahrung ein weiterer Atemstoß in den Luftballon „persönlicher Horizont“ ist.
Im Grunde genommen gehe ich sogar so weit zu sagen,
dass das ganze Leben , und damit meine ich nicht nur meins, ein Highlight, ein „hohes
Licht“ ist. Ich bevorzuge es deshalb meine bzw. unsere Afrikareise als ein weiteres selbstleuchtendes
Lichtteilchen zu sehen, dass ein
allumfassendes Licht erst
vervollständigt.
Lasse ich allerdings die einzelnen
Stationen des Kenyaaufenthalts noch mal revue passieren, wird mir sehr schnell
klar, dass jede für sich ein weiteres leuchtendes Element ist. Würde auch nur ein
einziges fehlen, könnte die gesamte Reise nicht mehr die gleiche Leuchtkraft
aufbringen, geschweige denn überhaupt Licht spenden.
Alles, was ich hier erlebt habe,
Leid zu sehen und zu ertragen (der Besuch in den Slums von Mombasa, der erste Tag in der
Mukeu Schule...) oder sowie Freude zu
schenken und auch anzunehmen (die unglaublich offenen und freundlichen Menschen
hier, die liebevollen Umarmungen der Kinder in der Mukeu Schule,...) hat dazu
beigetragen, die Welt in einem anderen Licht zu sehen und vor allem zu
erkennen, wie dicht alles beieinander liegt und nichts ohne das andere
existieren kann. Gäbe es den Überfluß
nicht, gäbe es auch keine Armut. Gäbe es kein Leid, gäbe es auch die Freude
nicht. Gäbe es die Dunkelheit nicht, gäbe es auch kein Licht.
Für mich war es vor allem
interessant zu sehen, in wie weit ich bereit bin, die „Dunkelheit“ auszuhalten.
Und je weiter ich mich auf die Schattenseite gewagt habe, desto mehr bin ich mit
wärmenden Licht belohnt worden. Die weitverbreitete Angst vor der Dunkelheit
scheint also mehr eine Illusion als fürchterliche Realität zu sein.
Hier in Kenia herrscht eine so
andere Lebenseinstellung, die wirklich vieles in den Schatten stellt. Das Leben
der Menschen, die wir kennengelernt haben ist geprägt von Lebensfreude,
Rhythmus, Leidenschaft, Offenheit, Freiheit, Musik, Lachen und...Hakunamatata :-)! Armut ist hier tatsächlich
an der Tagesordnung, aber wenige Besitztümer zu haben und wirklich hart für
seinen Lebensunterhalt ackern zu müssen , bedeutet nicht gleich in Depressionen zu
verfallen oder Opfer gesellschaftlicher Isolation zu werden. Im Gegenteil. Hier
sitzen alle im gleichen Boot und das verbindet. Hier braucht keiner Angst davor
zu haben, dass einer dem anderen etwas wegnimmt oder neidet. Ganz anders als
bei uns, hier im fernen Westen, wo Besitz den Glauben hervorruft, sich vor
anderen schützen zu müssen. Die Einschätzung der Wichtigkeit materieller Dinge
scheint uns in einzelne, kleine Boote zu setzen, die sich gegenseitig anstoßen
und dadurch in unterschiedliche Richtung gelenkt werden.
Anders betrachtet, leiden hier in
Kenia viele Menschen an anderen Dingen, wie z.B. Hunger und organischen Krankheiten, die u.a. auf Armut sowie
mangelnde Hygiene und Aufklärung zurückzuführen sind. Für uns alltägliche Begriffe
wie Burnout, Depression oder Angstzustände existieren auf Kiswahili, glaube ich,
gar nicht und wenn, dann würden sie wahrscheinlich lauten „Hahaha“. Diese Krankheiten
sind der Preis, den wir in unserer Leistungsgesellschaft bezahlen.
Das vorherrschende Ungleichgewicht
ist mehr als offensichtlich, nur scheint keine Seite mehr vom Licht angestrahlt
zu werden als die andere – zumindest äußerlich betrachtet.
Vielleicht muß man einfach auch nur
mal die Perspektive wechseln, um klarer sehen zu können. Wäre es nicht möglich,
dass unsere Welten eventuell „gleich-gültig“ sind? Dass jede Welt und somit auch jeder Mensch,
egal ob arm oder reich, ob aus Ost oder West, ob Weiß oder Schwarz, aus sich
herausstrahlt und kein Licht – in welcher Form auch immer – benötigt, um aus
dem Schatten heraus zu kommen? Sterne sind auch selbstleuchtende Körper, die
wir in Abhängigkeit von äußeren Umständen (z.B. durch Wolken) manchmal sehen
und manchmal wiederum nicht. Vielleicht kreieren wir unsere Wolken durch eine
Verschiebung der Werte, durch eine Bewertung
dessen, was wichtig im Leben ist und was nicht, selber und nehmen uns so
die Sicht auf die Sonne. Aber wie dicht die
Wolkendecke auch sein mag, die Sterne sind dennoch permanent da, unabhänging von
den äußeren Umständen. Wir brauchen sie nicht zu sehen, um zu wissen, dass sie
existieren. Allerdings ist es erfahrungsgemäß auch so, dass Dinge sprichwörtlich
gerne aus dem Sinn verschwinden, wenn sie erst mal aus dem Augen sind.
Deshalb ist es wichtig, dass wir
uns ständig daran erinnern, wenn wir glauben nur von Dunkelheit umgeben zu
sein, dass es nichts braucht, um selbst leuchten zu können. Ich weiß aber auch,
wie schwer es ist, den Lichtschalter zu finden, wenn man (meint) alleine im
Dunkeln zu stehen.
Darum bin ich unglaublich froh,
diese Reise gemeinsam mit Andi gemacht zu haben. In den Momenten, in denen wir
mit wirklich elendigem Leid konfrontiert wurden, war er für mich eine Art Anker.
Ab und zu haben die Erlebnisse es tatsächlich geschafft mich in ein einzelnes
Boot zu setzen, aber durch den Anker bin ich am Platz geblieben und konnte
nicht in diffuse Richtungen wegtreiben.
Und für die Menschen, die glauben
keinen Anker zu haben, ist die Erinnerung daran vielleicht hilfreich, dass es
auch noch einen Nordstern gibt, der schon
vielen verirrten Seefahrern wieder den Weg nach Hause gewiesen hat.
Unsere letzte Aktion in der Mukeu
Schule bestand darin, leuchtende Sterne
an die Decke der Schlafräume der Kinder zu hängen. Da sie gestern schon von
ihren Eltern abgeholt wurden, werden sie Sterne erst sehen, wenn sie nach den
Ferien wieder im Internat sind und
glauben, weit weg von zu Hause zu sein.
Am Sonntag werde ich Kenia
verlassen und wieder nach Hause zurückkehren – im Wissen, überall zu Hause sein
zu können.
...
Eine Sache möchte ich allerdings
noch los werden. Wie ihr Andis Bericht entnehmen konntet, habe ich am
Ostersonntag an einem Karatetraining in Nairobi teilgenommen. An dieser Stelle
möchte ich mich noch mal ganz herzlich bei Klaus M. und Marié Niino bedanken,
durch die dieses Treffen erst möglich wurde. Des weiteren möchte ich mich
insbesondere noch mal ausdrücklich bei Marié für ihre großzügigen Spenden
(Karategis, Karate-T-Shirst, Karatekinderbücher) bedanken. Die Kinder haben
sich sehr darüber gefreut und waren äußerst dankbar. Asante sana!!!
Ok, jetzt ist es aber so weit. Ein letztes Kwa
heri aus Kenia!
Astrid
Mein allerliebste Asti,
AntwortenLöschenDu hast mir mit Deinem aussergewönhlichen sehr guten Blogeintrag viele Gedanken ausgelösst die ich mit Dir sehr gerne austauschen möchte.
Ich freue mich wahnsinnig auf Dich wenn Du Sonntag wieder bei uns bist und ich Dich ganz feste in meine Arme nehmen und drücken kann.
Ich wünsche Dir einen super schönen Flug und gib Andi einen ganz lieben Kuss von uns:)))))))
( Lieber Andi, mit Dir halten wir weiterhin Kontakt und freuen uns auf Deine weiteren Blogeinträge :))))))))).Deine Photos sind sehr beeindruckend,sie sind was Besonderes. Sie gefallen uns überaus sehr.Man kann so richtig sehen wie die Kinder sehr an Dir hängen und
Dich sehr mögen. Du bist was Besonderes und hast dort viel geleistet und viele glücklich gemacht, Du bist toll).
Mein Allerliebstes,
geniesse mit Andi die restliche schöne Zeit und ich freue mich Dich.
Also dann bis Sonntag(juhu und jipije :))))).
Ganz liebe Bussi's,
Deine Mama
Hey Astrid,
AntwortenLöschenhut ab! hast die welt unglaublich gut zusammengefasst. zuerst war ich überrascht dass andi wohl vorzeitig zurückkommt und dann äußerst verwundert welche Ausdrücke er so nutzt, mir ist klar, dass der Aufenthalt ihn verändern wird, war aber überrascht wie schnell das ging und wie sehr sich andi in seiner sprache etc verändert hat.. bis ich am ende realisiert habe dass der artikel von dir ist :)
guten flug und geniess die restliche zeit! hoffe dass der afrikavirus auch dich gepackt hat ;)
Hi Greg,
Löschenvielen Dank für deinen Kommentar, darüber habe ich mich sehr gefreut :)
So, wie es aussieht, habe ich mich tatsächlich mit dem Virus infiziert. Allerdings befürchte ich, dass es die noch weit schlimmere Variante davon ist: der "Weltvirus"! Heilung nahezu ausgeschlossen ;)))))))