Hallo Eschweiler, hallo Aachen!
Es hat jetzt leider ein paar Tage
gedauert, bis dass ich einen neuen Beitrag schreiben konnte, und zwar
hauptsächlich zeitlich bedingt (Sobald man Freizeit hat, hat man plötzlich
keine Zeit mehr); auch sind die Zeiten mit dem geregelten Internetzugang nun
auch vorbei. Aber ok, hier ist er, hier ist endlich der neue Beitrag. Dafür
kriegt ihr jetzt aber auch die volle Dröhnung - ist sehr viel Text, ich weiß,
aber da müsst ihr jetzt durch... :-)
Freitag, 23. März 2012 - Der letzte Tag als Volontär im Olive’s
Rehabilitation Centre
Wie schon im vergangenen Eintrag
berichtet war ich wegen diesem letzten Tag bei GVI (Global Vision
International) schon etwas wehmütig. Wie meine Klasse es sich am Vortag von mir
gewünscht hat, habe ich in meiner letzten Unterrichtsstunde eine
“Creative-Arts“-lesson gemacht. Die Kids konnten entweder Bilder malen oder
etwas schreiben. Ich habe nach und nach, und zwar zum Ende hin fast von jedem,
ein Bild oder einen an mich gerichteten kurzen Brief bekommen. Auch Samson hat
mir die ganze Stunde lang einen Brief geschrieben, den ich aber nicht jetzt,
sondern erst zu Hause lesen soll. Oft habe ich auf den Zetteln Worte wie “Thank
you Mr Andi“ oder “Good bye Mr Andi“ oder “We miss you“ gelesen. Ihr könnt euch
vorstellen, das war ein unbeschreibliches Gefühl.
Dann wurden wir in der großen
Pause im Lehrerzimmer von den Headteachern mit ein paar tollen Worten
verabschiedet. Mit “wir“ meine ich, dass am heutigen Tag insgesamt, also inkl.
mir, 4 Volontäre das Projekt verlassen. Ich sollte im Lehrerzimmer etwas sagen
und habe überrascht nur gesagt, dass ich nicht gut darin bin, gute Reden zu
schwingen, dass ichs daher kurz mache, und sagte anschließend, dass das hier zu
den besten Dingen gehört, die ich in meinem Leben gemacht habe.
Anschließend gings auf den
Schulhof, wo sich alle Schüler des ORC versammelten. Wir 4 standen vorne,
zusammen mit Mr Joseph (ich berichtete schon von ihm; er ist der
verantwortliche Lehrer für meine Klasse Standard 3) und dem Headteacher Mr
Lucas. Wir wurden von den Kids gebührend mit gemeinsamen Klatschen und
“Olive’s“-Gesang verabschiedet. Das war wirklich krass, vorne zu stehen, vorne,
vor den ganzen dunkelhäutigen Kindern, die mich mit großen Augen anschauten.
Das war unbeschreiblich. Ich hoffe dass ich dieses Bild nie vergessen werde. Jeder
bekam dann die Gelegenheit, etwas zu sagen, und ich riss mich zusammen und
sagte laut in die Menge, dass ich die Zeit hier sehr genossen habe, dass es ein
Vergnügen für mich war, hier zu arbeiten, mit den Kindern zu arbeiten, und dass
ich verspreche, sie nie zu vergessen. Die Kids sollten mir dann versprechen,
immer gut zu lernen. Dann war der Kloß im Hals dann doch zu groß und fertig.
Insgesamt musste ich an diesem Morgen schon ein paar Mal schlucken... Aber das
habe ich mir hoffentlich nicht zu sehr anmerken lassen.
Tja, so ist das nun mal -
Volontäre kommen und gehen. Aber die Kinder wissen das und sind an diesen
Umstand gewohnt. Aber es ist wirklich toll zu sehen, dass die einigen wenigen (total
unterbezahlten) lokalen Lehrer wie Mr Joseph mit dem Herz bei der Sache sind.
Love never fails. Die Kinder sind hier im Olive’s so glücklich - hier können
sie nicht nur in einer tollen Gemeinsachaft fürs Leben lernen, sondern auch in
den Pausen miteinander spielen. Das ist wirklich schön zu sehen, zu erleben.
Denn was diese Kinder vom ORC sonst erwartet, ist eben ein Leben im Slum. Die
Schule wurde vor einigen Jahren von den beiden jetzigen Leitern, u.a. Mr Were,
gegründet. Die können sich wirklich auf die Schulter klopfen!!
Mr Joseph verteilte die 8 am
Vortag an ihn ausgehändigten Fußballtrickots an die jeweiligen Fußballcaptains
der Klassen. Auch das war wirklich toll zu sehen, wie eine an sich so kleine
Sache seinen Lauf nimmt. Mit kleinen Dingen viel erreichen, möchte ich nur
nochmal wiederholen. Ich weiß noch ganz genau, wie ich Karneval neben Basti
Leuchter an einem Stehtisch stand und er mir von seiner Idee, mir ein paar
seiner Fußalltrickots mit nach Kenia zu geben, berichtete. Vielen, vielen Dank,
Kumpel! Asante sana!
Abschließend hatte ich noch ein
persönliches Gespräch mit Mr Joseph, was ebenfalls sehr bewegend war. Das war bis dahin wirklich ein
Hammer-Tag - vielleicht sogar der bisherige Höhepunkt meines Aufenthaltes.
Abends gings dann zunächst in die
Bar “Go Kart Mombasa“ in das etwas nördlicher als Nyali gelegene Bamburi. Kolo,
Sänger und Gitarrist, spielte an dem Abend dort live und informierte mich
darüber zwei Tage zuvor per Anruf. Ich habe Kolo an meinem Wochenende in Tiwi
kennen gelernt. Anschließend gings in die “Tembo-Disco“, in der ich mit den
anderen Volontären den Abschluss des Projektes feierte. Der Besuch im Tembo war
wieder eine neue Erfahrung für sich. Männer zahlen 200 KES (ca. 1,90 €), Frauen
kommen kostenlos rein. Insgesamt waren mehr Frauen als Männer dort und grob
schätzend würde ich sagen, dass ca. 80 % aller Frauen Prostituierte waren.
Unter den Männern befanden sich auch einige WEISSE, die dies wussten und, ich
sag mal, zu schätzen wussten. Teilweise krass und ekelhaft anzusehen, wie die
sich verhielten. Da ist man doch stolz, einer von diesen wenigen WEISSEN zu
sein. Und auch wenn man die Prostis abwies, waren die zunächst echt nervig
penetrant. Angebot und Nachfrage. Wem kann mans verübeln... Urlaubsziel Kenia.
Karibu Kenya.
Samstag, 24. März 2012 - Astrid kommt!!
Wie gesagt, ich war wirklich
wehmütig am Freitag, aber als ich am Samstag morgen nach knapp 5 Stunden Schlaf
aufwachte, war die Freude wirklich riesengroß - es dauerte nun nicht mehr
lange, bis dass ich meinen Schatz bei mir habe. Noch schnell packen,
verabschieden, und ab zum Flughafen.
Boah, ich sag euch, dass war
wirklich unbeschreiblich gut, Astrid zu sehen und endlich wieder in die Arme
nehmen zu können. Endlich waren wir zwei wieder zusammen. Nun begann für uns
beide -gemeinsam- ein neues Kapitel. Zunächst haben wir 1 Woche Urlaub in einem
günstigen Hotel im nördlich von Mombasa und Nyali liegenden Bamburi (s.o.); 1
Woche gemeinsam Urlaub, auf die wir uns
beide sehr drauf gefreut haben. Anschließend gehts Montag mit einem Inlandsflug
nach Nairobi, wo wir, Astrid und ich, von der Organisation “African Impact“ in
unser neues Zuhause auf Zeit, in das ca. 30 km nordwestlich von Nairobi
entfernte Limuru gebracht werden. An diesem Tag, Montag, 02.04.2012, beginnt
nicht nur ein weiteres neues Kapitel - ich habe dann auch Halbzeit. Aber dazu
später mehr...
Sonntag, 25. März 2012 - Dienstag, 27. März 2012 - Diverses
Sonntag gabs ein Treffen mit
Madam Jane, der Leiterin des PVCC (die andere von GVI unterstützte Schule neben
dem ORC); weiterhin gabs ein Treffen mit mir und Julius bzgl. seiner Jobsuche
(leider vergeblich). Mit Astrid habe ich nachmittags einen spontanen Besuch im
SOS Children’s Village gemacht, welches sich in Nyali befindet. Wir wurden
herzlich empfangen und von einer superfreundlichen “Assistant Mother“ überall
herumgeführt. Also ehrlich, wenn ich das mit dem vergleiche, was ich bisher
schon hier in Kenia gesehen habe - also, in welchen Bedingungen teilweise
Kinder leben müssen - dann muss ich sagen, dass ich echt von den Socken war,
als ich diese riesige, schöne und gepflegte Anlage gesehen habe. Uns wurde eins
der vielen Häuser gezeigt, in denen die Kinder wohnen (maximal 10 Kinder pro
Haus); die Kids haben im Aufeinthaltsraum einen Fernseher, in den
Geschlechtergetrennten Schlafzimmern schöne Etagenbetten (max. 4 Kinder pro
Zimmer), alles sehr aufgeräumt, jeweils ein Badezimmer für Jungs + Mädchen, in welchem
sich auch eine Spültoilette befindet. Das Essen wird in der jeweiligen Küche
von den “Müttern“ zubereitet. Auf dem großen Areal gibt es einen geteerten
kleinen Sportplatz mit Fußballtoren und Baketballkörben. Weiterhin befindet
sich dort eine riesige Photovoltaikanlage, mit der Strom an die Regierung
gegeben werden kann und aufgrund deren Stromertrag die Regierung das Children’s
Village kostenlos mit Strom versorgt. Also ernsthaft, SOS Kinderdörfer gibt es
rund um Globus verteilt, und ich denke nun aufgrund dieser gemachten
Erfahrungen, dass man sich auf deren Nutzen verlassen kann. Hier kommt das
gespendete Geld an und ermöglicht den Kindern ein (vergleichsweise) gutes
Leben.
Montags habe ich Astrid mein
“altes Zuhase“, also das Volontärshaus in Salama Estates in Nyali gezeigt,
sowie die beiden Schulen ORC im Slum Bombolulu und PVCC im Slum Shauri Yako,
beide Schulen in einem 10- bzw. 20-minütigen Fußweg von der Unterkunft
erreichbar.
Das Highlight von all dem war der
Besuch in meiner alten Schule. Als ich den ersten Schritt auf den Schulhof
setzte und mit Astrid in Richtung der ganzen Klassen ging, hörte ich meine
Klasse schon im Takt rufen “Mr Andi, Mr Andi, Mr Andi,...“ - das war unbeschreiblich - ich habe nicht
mit so etwas gerechnet und bekam sofort Gänsehaut. Astrid und ich haben die
Klasse begrüßt, etwas geredet, und dann wurde auf dem Schulhof auf meinem
Wunsch hin noch ein Abschiedsfoto gemacht (und was für eins, echt toll!!). Mr
Were, einer der beiden “Köpfe“ des ORC, hat bei einem abschließenden Treffen
noch eine finanzielle Spende von uns bekommen.
Nach dem ORC zeigte ich Asrid
auch die andere von GVI unterstützte Schule, das PVCC, und nach einem anschließenden
“Spaziergang“ durch den Shauri Yako Slum (dazu später mehr, siehe Astrids Ausführungen)
gings für ein Treffen mit Chief Inspector Wamocha zur Nyali Police Station.
Dienstags haben Astrid und ich
uns zunächst mit Julius und dessen Bruder Mandela getroffen und uns über
Karate, Familie und Bewerbungen unterhalten. Anschließend gings für Astrid und
mich mit einem Matatu in die Old Town von Mombasa, durch die wir spaziert sind
und auch das 1595 von den Portugiesen erbaute “Fort Jesus“ besucht haben. Es
ist wirklich schön, die Freizeit zu haben, all diese Dinge mit Astrid gemeinsam
machen zu können. War ein toller Tag.
Mittwoch, 28. März - Freitag, 30. März 2012 - Safari
Lange im Voraus geplant gönnten
wir uns in diesen 3 Tagen eine Safari, auf die wir uns sehr freuten, klar, aber
die allerdings auch, wenn man die ganzen (negativen) Eindrücke im Hinterkopf
hat, einen faden Beigeschmack hat - so nenne ich es jetzt mal... Ich hatte
wirklich ein schlechtes Gefühl bzw. Gewissen, weil man für eine solche Safari
echt viel Asche hinlegen muss. Die hätte auch viel besser anderweitig
Verwendung in Kenia gefunden... Aber gut, wir haben uns dafür entschieden und
müssen nun auch dazu stehen.
Davon abgesehen, hatten wir eine
wirklich sehr schöne Zeit während der Safari. Wir buchten eine 3-tägige
Kombination aus dem Tsavo East National Park und dem Amboseli National Park.
Letztgenannter befand sich nicht weit von der Tansanianischen Grenze entfernt
und bot neben dem Tierreichtum einen atemberaubenden Blick auf den Kilimanjaro,
den mit 5895 m Höhe größten Berg Afrikas.
Sonstiges
Wenn man es zulässt, kommt man
hier mit den Menschen schnell in einen persönlichen Kontakt; man hört
persönliche Geschichten, Erlebnisse, usw. Das ist unglaublich interessant. Ich
habe hier mittlerweile viel neues erfahren, viel gelernt. Wenn die Menschen
erzählen, dass sie aus dem Norden Kenias herkommen, frage ich sie immer nach
der Situation vor ein paar Monaten, in der viele Menschen aufgrund der lange
anhaltenden Dürre ums Überleben kämpfen mussten. Ein wesentlicher Faktor dabei
war das Fehlen von Wasser und das Sterben von Vieh. Das war die Situation in Somalia,
Äthiopien und auch im Norden Kenias, wie z.B. in Marsabit. Ich erinnere hier
mal an meinen Zeitungsartikel “Spenden statt Böllern“, den ich für bzw. mit
MISEREOR verfasst habe und welcher 2 Tage vor Silvester Platz in der Eschweiler
Filmpost fand. Wenn ich also von einem Kenianer erfahre, dass er aus dem Norden
kommt, frage ich ihn immer, ob er die deutsche Organisation “MISEREOR Aachen“
kennt. Unterschiedlichste Menschen haben mir schon bestätigt “Ja, die kenne ich!“.
Teilweise wird mir dann auch erzählt, was für Arbeiten dann im Land geleistet
werden. Also, soviel nur kurz dazu - ich bin davon überzeugt, dass das Aachener
Hilfswerk hier das tut, was es verspricht. Hier ist Hilfe von Nöten, und die
kommt auch an.
Des Weiteren gibt es in Kenia,
und zwar in Nairobi, zwei Partnerorganisationen von MISEREOR, nämlich das
KUTOKA-Network und die Organisation KESHO (das ist Swahili und bedeutet
“Morgen“). Ich hoffe, ich habe in Nairobi die Zeit und die Gelegenheit, diese
beiden Organisationen besuchen zu können. Dank Anja B. von MISEREOR habe ich bereits
die Kontaktdaten der beiden Organisationen.
Ich habe vor ein paar Tagen eine
E-Mail von einem Freund bekommen, deren Inhalt ich hier nicht vorenthalten will
- ich könnte es besser auch nicht sagen. Ich zitiere:
“... Hast dich sicherlich schon
total eingelebt...hm du "musst" ja vor Ort quasi "arbeiten"
aber ich glaub dass du dennoch merkst wie einfach das Leben dort ablaufen
kann.. wie glücklich man auch mit wenig sein kann... hoffe du hast die welt
hier vor ort schon ausgeblendet :) krass in welchem überfluss wir leben
und mit welchen luxusproblemen wir eigtl leben ne? und irgendwie haben die
kiddies vor ort sowas nicht und ich mein dass viele menschen in so armen
ländern sogar ein glücklicheres leben führen als so einige hier... versuch mal
zum bsp. den leuten die stuttgart21-problematik zu erklären ;) “
Astrid und ich sind sehr darauf
gespannt, was uns in Nairobi bzw. Limuru erwartet; welche Leute wir treffen,
welche Schulen und Waisenhäuser unsere neuen täglichen Anlaufadressen werden,
welche Arbeiten für uns anfallen werden, etc... Wir sind gespannt, aber auch
sehr froh darüber, dass diese neue Erfahrung eine gemeinsame Erfahrung wird.
Montag geht um 11:30 Uhr unser
Flieger und ca. 1 Stunde später beginnt wieder ein neues Kapitel...
Andi