Samstag, 24.03.2012
Hey, jambo aus Kenia :-) ,
wir wissen es, ihr alle wartet
auf den nächsten Blogeintrag und... hier ist er!!! (Entschuldigt auch direkt,
dass ihr mit so viel Text erschlagen werdet!) :-)
Am Freitag, 23.03.2012 habe ich
meine Reise zum afrikanischen Kontinent gestartet. Erst eine Woche Urlaub in
Mombasa mit Andi und danach wird’s für
uns weiter gehen nach Limuru in der Nähe von Nairobi für Andi zum nächsten und
für mich zum ersten Projekt.
Meine erste Erfahrung in Kenia,
als ich aus dem Flughafen in Mombasa
herausgekommen bin, nachdem ich fast von der unglaublichen und nahezu
unmenschlichen Hitze erschlagen wurde (an dieser Stelle ein kleiner Gruß an
Martina, ich weiß jetzt, wie du dich in Arizona fühlst J), war die Begrüßung eines
kenianischen Taxifahrers „Karibu Kenya. Welcome,
Sister!“ (Willommen in Kenia. Willkommen, Schwester!) Auch, wenn er das
wahrscheinlich zu jedem gerade ankommenden Touristen sagt und für ihn zu einer
ganz gewöhnlichen Begrüßungsfloskel samt innewohnender Einladung in sein Taxi
geworden ist, hat die Wirkung der Anrede „Sister“ bei mir nicht ihre Wirkung
verfehlt. Far away from home but everywhere close to my family! (Weit weg von
zu Hause, aber überall nah bei meiner Familie!)
Genau dieser erste Eindruck hat
sich auch weiterhin bestätigt. Die hier lebenden Menschen sind unglaublich offen,
freundlich, extrem gesellig und lassen selbst Fremde uneingeschränkt an ihrem
Leben teilhaben.
Meine nächsten Eindrücke wahrgenommen ab dem Flughafen bis hin zum
Hotel prasselten etwa wie folgt auf mich
ein - ich spar mir jetzt rethorische Ausschmückungen sowie ein grammatikalisch korrekte Schreibweise in
Form von einfachsten Sätzen, weil es im Moment der Wahrnehmung eben genau so
chaotisch in meinem viel zu kleinen Kopf abging. Außerdem will ich meine
Eindrücke so unvermittelt wie möglich rüberbringen, um euch auch mal in den
Genuss eines 1:1 readings zu bringen ;-)
Krass, ich hier! – anderer
Kontinent – neue Welt! – yeah... SONNE!!! – geiles Wetter, endlich Wärme,
SOMMER! – Regenzeit...da lach ich ja – endlich Andi in die Arme schließen –
wird so was von Zeit, haben uns unendlich lange nicht gesehen – ich freu mich
so tierisch – Andi! Andi? Wo ist Andi??? – Blick in die ungewohnte Umgebung:
ich, die einzige mzungu – alleine! - kein Andi – ok, ich bin viel früher aus
dem Airport gekommen als erwartet – Nerven behalten, der Flughafenvorplatz
leert sich, Andi anrufen – Andi erreicht, er ist auf dem Weg mit Patrick,
Straßensperre hälte sie noch auf, „sind gleich da“ – sehr gut, Gottseidank,
alles wie immer - ich freu mich so - verdammte Hitze! - wann isser endlich da? – da! Andi!! –
endlich, ich hab ihn ihn meinen Armen! –
close to family!!! – „Hello, Patrick“ – ok, ans Herz fassen und die ersten
Worte auf Kiswahili ausprobieren „ Jina langu ni Astrid.“ (...ich heiße
Astrid.) – zum Glück, kein Gelächter, er
hat mich verstanden oder er war einfach
nur höflich - das ist also Patrick,
Leiter des Upinde Waisenhauses – offen, herzlich, totall nett – er hat eine
große Narbe auf der linken Wange – von was er die wohl hat? – Hitze, Hitze, Hitze!!!! aaahhh!– wir
fahren los – Kurbelt sofort die Fenster runter!!! - ach so, is schon alles unten – wir fahren
los, weg vom fast menschenleeren Flughafen – 1 Minute später mitten im Leben –
der Fahrtwind tut so gut – Andi wirkt so vertraut mit allem, wow! – er hat
Wasser dabei – I love you, Baby. You know what I want! – überall Menschen auf
den Straßen – sitzend, stehend, liegend – Kinder mit Schuluniformen – Staub –
Autos – Autos – überall Autos – überfüllte Minibusse – teilweise aus der
hinteren Tür herausstehend mit vielen Geldscheinen in der Hand – laute Zurufe –
absolutes Verkehrschaos – verstehe, hier gilt das Recht des Stärkeren – was ist
das für ein Geruch? – es brennt – kleine Feuerstellen, da – und da, da auch –
die verbrennen Müll!!! – stimmt, keine Mülleimer – Andi erklärt mir das ein und
andere – er weiß, wie ich mich im Moment fühle, weil er das auch durchgemacht
hat – „laß uns Englisch sprechen, ist sonst blöd für Patrick“ - natürlich –
laute Hiphop und Soul Mucke aus unserem Radio – ein alter Mann auf nackten
Füßen schiebt eine Schubkarre mit Früchten an unserem Auto vorbei – lautes
Lachen – viele Typen auf der Straße, die Obst an die Autofaher / Insassen
verkaufen – Patrick kauft auch was – süßes Holz oder so... - eine Art
inoffizielle Müllkippe hinter einer großen Plakatwand direkt an der
Hauptstrasse, kleine Feuerstellen zwischen Menschen, die dort nach irgendetwas
herumstochern, freilaufende Rinder –
„Siehst du das, Schatz? Hier wurde eins von Patricks Babys gefunden.“ - oh Gott, ich will was dazu sagen – LKW
neben uns, lautes Gehupe von hier. Da. Dort? -Ziegen laufen an uns vorbei – Hühner
am Straßenrand – ich hab noch keinen Weißen gesehen - ich schwitze –die Hitze
ist jetzt Teil des Films geworden, in
dem ich gerade mitten drin stecke, und sticht nicht mehr besonders heraus – sie
ist einfach nur da, wie alles andere da ist – sie verschmilzt - mit den Menschen, dem Geschehen...mit mir! –
ich weiß nicht was ich denken soll – nein, ich will nicht denken – ich will
erst mal nur geschehen und wirken lassen - Karibu Kenya!!!
Nach ca. 20 Minuten sind wir in
unserem low budget Hotel , nachdem uns Patrick beinahe in dem Luxusschuppen
neben unserem abgesetzt hätte. „Ähm, no, Patrick, sorry, but we have the
cheaper one J.“
(Nein, Patrick, wir haben das billigere J.“).
Ok, kurz die Lage checken.
Hotelangestellte sind super freundlich, Zimmer sind total schön – genug
gecheckt, ab unter die Dusche!!! (Nicht, dass es wirklich was genutzt hätte,
nach 5 Minuten war ich wieder naß geschwitzt!).
Montag, 26.03.2012
Am darauffolgenden Montag hat mir Andi „seine“
Schule, das OVC, sowie seine Unterkunft im Salama Estate gezeigt. Es war
einfach unglaublich, aber dazu wird euch Andi später mehr berichten.
Wir sind zu Fuß durch den
Bombolulu Slum gegangen. Ein Fußweg, den Andi in seiner Volontärzeit jeden Tag
zurück gelegt hat. Ich war wahnsinnig aufgeregt, was mich erwarten würde. Durc
h seine Berichte und Beschreibungen war ich schon ein wenig auf das vorbereitet,
was ich gleich sehen würde, aber es live zu sehen hat jede meiner Erwartungen
gesprengt.
Vorstellungen von etwas können
dem wahren Leben nie das Wasser reichen. Es sind Illusionen von einer Realität,
die so lange eine Fiktion bleiben, bis man den Mut hat der Wirklichkeit ins
Gesicht zu sehen.
Ganz ehrlich, ich fühlte mich
alles andere als mutig, aber ich wollte hinschauen, sehen, wie die Menschen
hier leben. Tag ein, Tag aus. Ich brauch nicht zu erwähnen, dass wir die
einzigen mzungus waren. Keine Touristen, keine Hotels, keine Händler, keine
Steinhäuser, keine Glasfenster, keine Türklingel, keine Briefkästen oder
Hausnummern geschweige denn Namensschilder, keine geteerten / gefestigte Straßen, keine
Mülleimer, stattdessen das, was übrig
bleibt: Hütten aus Lehm und Holz, Wellblechdächer, barfuß spielende Kinder auf den Straßen, von
denen ab und zu ein freudiges Quiken und Geulke zu hören ist. Frauen in teils zerrissenen, aber dennoch
farbenfrohen Sarongs, waschen Wäsche von der Hand oder bereiten gerade das
Essen zu. Schutzsuchend vor der gnadenlosen Hitze der Sonne sitzen hier und dort einige Menschen unter
Vordächern oder anderen schattenspendend Möglichkeiten, harren der Dinge,
erzählen sich was, lachen. Mehrere vergitterte Kioske säumen den Wegesrand der
„Hauptstraße“, jeglicher Müll liegt
überall verteilt, abgemagerte und scheinbar von Überlebenskämpfen gezeichneten
Katzen und relativ kleine Hühner in allen möglichen Varianten laufen umher, zum
Teil liegt der Geruch von verbranntem Müll in der Luft...
Es gibt kaum geschlossene Türen, da das Leben
auf der Straße stattfindet.
Das Leben – das Leben in Form vom nötigsten Tun, um zu über-leben.
Trotz des ganzen Elends ist mir Eins
jedoch besonders aufgefallen. Während wir
durch dieses Viertel gingen, ließ es sich selbstverständlich nicht
vermeiden, dass wir die Aufmerksamkeit auf uns lenkten. Aber dadurch, dass hier
täglich auch andere Volontäre durchlaufen, sah man in uns nicht den
gewöhnlichen Touristen. Die Menschen begegneten uns mit Offenheit und begrüßten
uns herzlich und freundlich. Selbst wenn uns auch mal skeptische und zunächst
distanzierte Blicke trafen, schwenkten die Gesichter schlagartig in Heiterkeit
um, sobald von uns ein freundliches „Jambo“ kam. Selbst für die Kinder war es
ein heiden Spaß, ihre Englishkenntnisse auszuprobieren „Mambo, how are you?“
und von uns ein „Fine, thank you. How are you?“ zu bekommen.
Später am Tag sind wir mit Mme
Jane durch den Shauri Yako Slum gegangen. Aber dieses Mal bewegten wir uns nicht mehr nur auf der (Haupt-)Straße sondern
wählten jetzt Wege zwischen den Hütten, durch enge Gassen, wo bis
dato scheinbar noch nie ein mzungu gewesen ist.
Wie soll ich das beschreiben, was
ich gesehen habe? Wie faßt man Elend in Worte, um es Außenstehenden ansatzweise
nahezubringen? Vielleicht ist es hilfreich zu erklären, was innerlich in mir
abging. Meine Intention war es, mir ein unvoreingenommenes Bild von dem zu
machen, was „sonst noch so“ auf der Welt passiert, während ich normalerweise
meinem schönen Leben zu Hause nachgehe.
Obwohl ich mich immer für sehr
tolerant und offen gehalten habe und edle Absichten hatte, als ich durch die
beiden Slums ging, war ich ein wenig über meine aufkommenden Gefühle und
Gedanken erschrocken. Es waren ganz eindeutig Reaktionen der Ablehnung
gegenüber dem, was ich gerade gesehen bzw. wahrgenommen habe. Der Gestank und
die Hitze sowie der offen rumliegende
Müll riefen Ekel und tiefste Abneigung
hervor. Es traten Gedanken auf wie „Gott sei dank muss ich nicht so leben.“ , „Wie
können die das nur aushalten?“ „Diese
Armut ist unerträglich. Wieso können die Menschen trotzdem lachen?“ „So sieht
ein Leben ohne all die wichtigen Besitztümer aus, die ich zu Hause habe?“,
„Aber es heißt doch immer, ich brauche nichts, um glücklich zu sein. Das, was
ich jetzt gerade innerlich wahrnehme, macht mich aber alles andere als
glücklich. Es ist ekelhaft und schrecklich.“, „Irgendwie fühle ich mich
schuldig, weil es mir so gut geht, während andere hier ums Überleben kämpfen.“ Ein Teil von mir wollte ganz klar
schnellstmöglich von hier weg. Weit weg von dem Leid und zurück zum schönen
Leben. Dieser Teil hat scheinbar Angst vor dieser Seite des Lebens.
Aber das war nicht alles, was
innerlich in mir passierte. Ein anderer Teil von mir jedoch wollte bleiben und
hinschauen. Er war fest entschlossen auszuhalten,
was die hier lebenden Menschen ununterbrochen ertragen müssen, weil sie
außerhalb kein „schönes Leben“ haben.
Außerhalb des Slums, in der „echten Welt“, in der wir im Westen leben.
Warum fällt es uns Außenstehenden
so schwer einfach nur mal hinzuschauen? Teilzuhaben an dem Leben, dass es auch
noch gibt auf unserer Welt? Liegt es wirklich an dem Leid, dass man sieht?
Fürchtet man tatsächlich dieses Leid oder liegt es eher an der eigenen Reaktion
auf dieses Leid? Ja, es ist unangenehm Ekelgefühle und Angst auszuhalten, Schuldgefühle zu ertragen und dem wahren
Leben, mit all seinen Facetten vis à vis zu begegnen. Aber so ist es nunmal. Wenn
ich ernsthaft etwas verändern möchte, muß ich mir erst mal einen Lageüberblick
verschaffen und hinsehen. Ich muß akzeptieren was ist, ob es nun mit angehmen
oder unangenehmen Gefühlen verbunden ist.
Die Slums wirken auf mich wie
kleine abgeschlossenes Systeme in einem
großen System. Wie Welten in einer bereits bestehenden Welt. Abgegrenzt vom
Rest der Stadt. Hier gelten eigene Regeln und Gesetze und doch muß man
irgendwie den Kontakt nach draußen halten, um zu überleben.
Weil die hier lebenden Menschen
um die allgemein herrschende Nichtakzeptanz und Ablehnung von „draußen“ wissen,
schotten sie sich scheinbar in solchen Slums ab.
Wir draußen wiederum wissen, wie
unangenehm die Konfrontation mit dem Elend ist, also bleiben wir lieber fern
davon.
Also, wie kann man nun diese
beiden Welten zusammen führen? Ich sag euch was, wir müssen nichts
zusammenführen, weil wir schon lange EINE Welt sind. Es bedarf lediglich des
Hinschauens und der erste Schritt ist schon mal getan. Hinschauen bedeutet „Ich
habe ernsthaftes Interesse an dir und am wahren Leben.“ und der Gesehene
erkennt „Da gibt es Menschen, die
interessieren sich für mich. So wie ich bin. Vielleicht brauch ich mich nicht
abzuschotten.“
Die Reaktionen der Menschen, die
zunächst einen skeptischen und vorsichtigen Blick auf uns richteten und dann
von jetzt auf gleich ins Gegenteil umschwenkten, waren der beste Beweis dafür.
Ebenso wie die Erkenntnis für mich, ja, ich kann es aushalten hinzuschauen und
dafür dann auch noch mit einem (ach was sag ich, mit vielen) herzlichen
„Jambos“ belohnt zu werden. Hingucken ist manchmal wirklich unangenehm, aber es
bringt nicht um. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, dem wahren Leben noch nie
so nah gewesen zu sein. Das soll jetzt kein Aufruf sein „Hey, müßt alle unbedingt nach Afrika
kommen, denn nur so könnt ihr die Welt verbessern.“ So soll das von mir dargestellte
nicht zu verstehen sein, denn es gibt auch genug Leid in unserer schönen Welt.
Und sei es nur jemand zuzuhören, dem es schlecht geht. Einfach nur da sein und
ernsthaftes Interesse an dem jenigen bekunden und ihn zu akzeptieren, so wie er
jetzt gerade ist, mit all seinem Kummer. Und schon gibt’s wieder einen Menschen
mehr, der sich nicht abzuschotten braucht – wo auch immer. Dazu bedarf es keiner langen Reise in einen
anderen Kontinent.
Ich habe darauf verzichtet durch
den Slum zu laufen und sämtliche Fotos für das Fotoalbum oder die Welt da
draußen zu machen, weil ich es für mehr als unangebracht hielt, diese Menschen
wie Tiere in einem Zoo zu fotografieren . Außerdem gibt es
genug Bilder von solchen Slums und jeder hat in etwa eine Vorstellung
davon, wie es dort aussieht. Ich habe versucht, meine Erfahrungen so
detailgetreu wie möglich darzustellen, aber sie werden nie eure eigenen
Wahrnehmungen ersetzen können.
Am Samstag bin ich in Kenia
angekommen und bis Dienstag habe ich gebraucht, um auch mental anzukommen.
Kwa heri na tutaonana upesi :-) (Auf wiedersehen und
bis bald),
Astrid
Hey mein Liebes, ich bin überwältigt was Du uns allen berichtet hast, mit Gänsehaut inbegriffen.
AntwortenLöschenDu hast dieses für mich so rüber gebracht als wäre ich neben Dir gegangen und es live miterlebt.
Ich freue mich sehr wenn Du wieder zu Hause bist und mir von Dort erzählst :))))). Aber davon abgesehen habt Ihr 2 Süssen eine grandiose Schriftsteller-Ader,alle Achtung.
Meine liebe Astrid,
ich drücke Dich ganz ganz feste und wünsche Euch Beiden noch restliche wunderschöne Tage mit vielen neuen Eindrücke.
Bis dann und viele Bussi's,
Deine Mama
Liebe Astrid,
AntwortenLöschenich bin tief berührt von dem was du schreibst. Passt bitte auf euch auf und kommt gesund wieder.
Sandy
Aachen, den 01.04.2012
AntwortenLöschenHi liebe Astrid und lieber Andy,
wir sind weiterhin sehr beeindruckt, was ihr erlebt und wie hautnah Ihr das auch beschreiben könnt. Einfach toll. Man kann hier zuhause alles richtig miterleben.
Wir wünschen Euch für Eure weitere Zeit - jetzt in Nairobi - viel Kraft, auch viel Erfolg bei der Arbeit mit den Kindern.
Bleibt gesund und munter und lasst bald wieder von Euch hören.
Wir haben Euch ganz viel lieb
Paps und Gisela
P.S. Haben Oma u. Opa Grüße bestellt, auch zurück und den beiden geht es gut.