Samstag, 31. März 2012

Endlich angekommen - und noch endlicher INTERNET!


Samstag, 24.03.2012


Hey, jambo aus Kenia :-) ,

wir wissen es, ihr alle wartet auf den nächsten Blogeintrag und... hier ist er!!! (Entschuldigt auch direkt, dass ihr mit so viel Text erschlagen werdet!) :-)

Am Freitag, 23.03.2012 habe ich meine Reise zum afrikanischen Kontinent gestartet. Erst eine Woche Urlaub in Mombasa mit Andi und danach wird’s  für uns weiter gehen nach Limuru in der Nähe von Nairobi für Andi zum nächsten und für mich zum ersten Projekt.

Meine erste Erfahrung in Kenia, als ich aus dem  Flughafen in Mombasa herausgekommen bin, nachdem ich fast von der unglaublichen und nahezu unmenschlichen Hitze erschlagen wurde (an dieser Stelle ein kleiner Gruß an Martina, ich weiß jetzt, wie du dich in Arizona fühlst J), war die Begrüßung eines kenianischen Taxifahrers  „Karibu Kenya. Welcome, Sister!“ (Willommen in Kenia. Willkommen, Schwester!) Auch, wenn er das wahrscheinlich zu jedem gerade ankommenden Touristen sagt und für ihn zu einer ganz gewöhnlichen Begrüßungsfloskel samt innewohnender Einladung in sein Taxi geworden ist, hat die Wirkung der Anrede „Sister“ bei mir nicht ihre Wirkung verfehlt. Far away from home but everywhere close to my family! (Weit weg von zu Hause, aber überall nah bei meiner Familie!)

Genau dieser erste Eindruck hat sich auch weiterhin bestätigt. Die hier lebenden Menschen sind unglaublich offen, freundlich, extrem gesellig und lassen selbst Fremde uneingeschränkt an ihrem Leben teilhaben.

Meine nächsten Eindrücke  wahrgenommen ab dem Flughafen bis hin zum Hotel  prasselten etwa wie folgt auf mich ein - ich spar mir jetzt rethorische Ausschmückungen sowie  ein grammatikalisch korrekte Schreibweise in Form von einfachsten Sätzen, weil es im Moment der Wahrnehmung eben genau so chaotisch in meinem viel zu kleinen Kopf abging. Außerdem will ich meine Eindrücke so unvermittelt wie möglich rüberbringen, um euch auch mal in den Genuss eines 1:1 readings zu bringen  ;-)

Krass, ich hier! – anderer Kontinent – neue Welt! – yeah... SONNE!!! – geiles Wetter, endlich Wärme, SOMMER! – Regenzeit...da lach ich ja – endlich Andi in die Arme schließen – wird so was von Zeit, haben uns unendlich lange nicht gesehen – ich freu mich so tierisch – Andi! Andi? Wo ist Andi??? – Blick in die ungewohnte Umgebung: ich, die einzige mzungu – alleine! - kein Andi – ok, ich bin viel früher aus dem Airport gekommen als erwartet – Nerven behalten, der Flughafenvorplatz leert sich, Andi anrufen – Andi erreicht, er ist auf dem Weg mit Patrick, Straßensperre hälte sie noch auf, „sind gleich da“ – sehr gut, Gottseidank, alles wie immer -  ich freu mich so -  verdammte  Hitze! - wann isser endlich da? – da! Andi!! – endlich, ich hab ihn ihn meinen  Armen! – close to family!!! – „Hello, Patrick“ – ok, ans Herz fassen und die ersten Worte auf Kiswahili ausprobieren „ Jina langu ni Astrid.“ (...ich heiße Astrid.) – zum Glück, kein Gelächter,  er hat mich verstanden  oder er war einfach nur höflich -  das ist also Patrick, Leiter des Upinde Waisenhauses – offen, herzlich, totall nett – er hat eine große Narbe auf der linken Wange – von was er die wohl  hat? – Hitze, Hitze, Hitze!!!! aaahhh!– wir fahren los – Kurbelt sofort die Fenster runter!!! -  ach so, is schon alles unten – wir fahren los, weg vom fast menschenleeren Flughafen – 1 Minute später mitten im Leben – der Fahrtwind tut so gut – Andi wirkt so vertraut mit allem, wow! – er hat Wasser dabei – I love you, Baby. You know what I want! – überall Menschen auf den Straßen – sitzend, stehend, liegend – Kinder mit Schuluniformen – Staub – Autos – Autos – überall Autos – überfüllte Minibusse – teilweise aus der hinteren Tür herausstehend mit vielen Geldscheinen in der Hand – laute Zurufe – absolutes Verkehrschaos – verstehe, hier gilt das Recht des Stärkeren – was ist das für ein Geruch? – es brennt – kleine Feuerstellen, da – und da, da auch – die verbrennen Müll!!! – stimmt, keine Mülleimer – Andi erklärt mir das ein und andere – er weiß, wie ich mich im Moment fühle, weil er das auch durchgemacht hat – „laß uns Englisch sprechen, ist sonst blöd für Patrick“ - natürlich – laute Hiphop und Soul Mucke aus unserem Radio – ein alter Mann auf nackten Füßen schiebt eine Schubkarre mit Früchten an unserem Auto vorbei – lautes Lachen – viele Typen auf der Straße, die Obst an die Autofaher / Insassen verkaufen – Patrick kauft auch was – süßes Holz oder so... - eine Art inoffizielle Müllkippe hinter einer großen Plakatwand direkt an der Hauptstrasse, kleine Feuerstellen zwischen Menschen, die dort nach irgendetwas herumstochern,  freilaufende Rinder – „Siehst du das, Schatz? Hier wurde eins von Patricks Babys gefunden.“  - oh Gott, ich will was dazu sagen – LKW neben uns, lautes Gehupe von hier. Da. Dort? -Ziegen laufen an uns vorbei – Hühner am Straßenrand – ich hab noch keinen Weißen gesehen - ich schwitze –die Hitze ist jetzt Teil des Films geworden,  in dem ich gerade mitten drin stecke, und sticht nicht mehr besonders heraus – sie ist einfach nur da, wie alles andere da ist – sie verschmilzt  - mit den Menschen, dem Geschehen...mit mir! – ich weiß nicht was ich denken soll – nein, ich will nicht denken – ich will erst mal nur geschehen und wirken lassen - Karibu Kenya!!!

Nach ca. 20 Minuten sind wir in unserem low budget Hotel , nachdem uns Patrick beinahe in dem Luxusschuppen neben unserem abgesetzt hätte. „Ähm, no, Patrick, sorry, but we have the cheaper one J.“ (Nein, Patrick, wir haben das billigere J.“).

Ok, kurz die Lage checken. Hotelangestellte sind super freundlich, Zimmer sind total schön – genug gecheckt, ab unter die Dusche!!! (Nicht, dass es wirklich was genutzt hätte, nach 5 Minuten war ich wieder naß geschwitzt!).


Montag, 26.03.2012


Am darauffolgenden Montag hat mir Andi „seine“ Schule, das OVC, sowie seine Unterkunft im Salama Estate gezeigt. Es war einfach unglaublich, aber dazu wird euch Andi später mehr berichten.

Wir sind zu Fuß durch den Bombolulu Slum gegangen. Ein Fußweg, den Andi in seiner Volontärzeit jeden Tag zurück gelegt hat. Ich war wahnsinnig aufgeregt, was mich erwarten würde. Durc h seine Berichte und Beschreibungen war ich schon ein wenig auf das vorbereitet, was ich gleich sehen würde, aber es live zu sehen hat jede meiner Erwartungen gesprengt.

Vorstellungen von etwas können dem wahren Leben nie das Wasser reichen. Es sind Illusionen von einer Realität, die so lange eine Fiktion bleiben, bis man den Mut hat der Wirklichkeit ins Gesicht zu sehen.

Ganz ehrlich, ich fühlte mich alles andere als mutig, aber ich wollte hinschauen, sehen, wie die Menschen hier leben. Tag ein, Tag aus. Ich brauch nicht zu erwähnen, dass wir die einzigen mzungus waren. Keine Touristen, keine Hotels, keine Händler, keine Steinhäuser, keine Glasfenster, keine Türklingel, keine Briefkästen oder Hausnummern geschweige denn Namensschilder,  keine geteerten / gefestigte Straßen, keine Mülleimer,  stattdessen das, was übrig bleibt: Hütten aus Lehm und Holz, Wellblechdächer,  barfuß spielende Kinder auf den Straßen, von denen ab und zu ein freudiges Quiken und Geulke zu hören ist. Frauen in teils zerrissenen, aber dennoch farbenfrohen Sarongs, waschen Wäsche von der Hand oder bereiten gerade das Essen zu. Schutzsuchend vor der gnadenlosen Hitze der Sonne  sitzen hier und dort einige Menschen unter Vordächern oder anderen schattenspendend Möglichkeiten, harren der Dinge, erzählen sich was, lachen. Mehrere vergitterte Kioske säumen den Wegesrand der „Hauptstraße“,  jeglicher Müll liegt überall verteilt, abgemagerte und scheinbar von Überlebenskämpfen gezeichneten Katzen und relativ kleine Hühner in allen möglichen Varianten laufen umher, zum Teil liegt der Geruch von verbranntem Müll in der Luft...

Es gibt kaum geschlossene Türen, da das Leben auf der  Straße  stattfindet.  Das Leben – das Leben in Form vom nötigsten Tun, um zu über-leben.

Trotz des ganzen Elends ist mir Eins jedoch besonders aufgefallen. Während wir  durch dieses Viertel gingen, ließ es sich selbstverständlich nicht vermeiden, dass wir die Aufmerksamkeit auf uns lenkten. Aber dadurch, dass hier täglich auch andere Volontäre durchlaufen, sah man in uns nicht den gewöhnlichen Touristen. Die Menschen begegneten uns mit Offenheit und begrüßten uns herzlich und freundlich. Selbst wenn uns auch mal skeptische und zunächst distanzierte Blicke trafen, schwenkten die Gesichter schlagartig in Heiterkeit um, sobald von uns ein freundliches „Jambo“ kam. Selbst für die Kinder war es ein heiden Spaß, ihre Englishkenntnisse auszuprobieren „Mambo, how are you?“ und von uns ein „Fine, thank you. How are you?“ zu bekommen.

Später am Tag sind wir mit Mme Jane durch den Shauri Yako Slum gegangen. Aber dieses Mal bewegten wir uns  nicht mehr nur auf der (Haupt-)Straße sondern wählten  jetzt Wege  zwischen den Hütten, durch enge Gassen, wo bis dato scheinbar noch nie ein mzungu gewesen ist.

Wie soll ich das beschreiben, was ich gesehen habe? Wie faßt man Elend in Worte, um es Außenstehenden ansatzweise nahezubringen? Vielleicht ist es hilfreich zu erklären, was innerlich in mir abging. Meine Intention war es, mir ein unvoreingenommenes Bild von dem zu machen, was „sonst noch so“ auf der Welt passiert, während ich normalerweise meinem schönen Leben zu Hause nachgehe.

Obwohl ich mich immer für sehr tolerant und offen gehalten habe und edle Absichten hatte, als ich durch die beiden Slums ging, war ich ein wenig über meine aufkommenden Gefühle und Gedanken erschrocken. Es waren ganz eindeutig Reaktionen der Ablehnung gegenüber dem, was ich gerade gesehen bzw. wahrgenommen habe. Der Gestank und die Hitze  sowie der offen rumliegende Müll riefen Ekel  und tiefste Abneigung hervor. Es traten Gedanken auf wie „Gott sei dank muss ich nicht so leben.“ , „Wie können die das nur aushalten?“  „Diese Armut ist unerträglich. Wieso können die Menschen trotzdem lachen?“ „So sieht ein Leben ohne all die wichtigen Besitztümer aus, die ich zu Hause habe?“, „Aber es heißt doch immer, ich brauche nichts, um glücklich zu sein. Das, was ich jetzt gerade innerlich wahrnehme, macht mich aber alles andere als glücklich. Es ist ekelhaft und schrecklich.“, „Irgendwie fühle ich mich schuldig, weil es mir so gut geht, während andere hier ums Überleben kämpfen.“  Ein Teil von mir wollte ganz klar schnellstmöglich von hier weg. Weit weg von dem Leid und zurück zum schönen Leben. Dieser Teil hat scheinbar Angst vor dieser Seite des Lebens.

Aber das war nicht alles, was innerlich in mir passierte. Ein anderer Teil von mir jedoch wollte bleiben und hinschauen. Er war fest entschlossen  auszuhalten, was die hier lebenden Menschen ununterbrochen ertragen müssen, weil sie außerhalb kein „schönes  Leben“ haben. Außerhalb des Slums, in der „echten Welt“, in der wir im Westen leben.

Warum fällt es uns Außenstehenden so schwer einfach nur mal hinzuschauen? Teilzuhaben an dem Leben, dass es auch noch gibt auf unserer Welt? Liegt es wirklich an dem Leid, dass man sieht? Fürchtet man tatsächlich dieses Leid oder liegt es eher an der eigenen Reaktion auf dieses Leid? Ja, es ist unangenehm Ekelgefühle und Angst auszuhalten,  Schuldgefühle zu ertragen und dem wahren Leben, mit all seinen Facetten vis à vis zu begegnen. Aber so ist es nunmal. Wenn ich ernsthaft etwas verändern möchte, muß ich mir erst mal einen Lageüberblick verschaffen und hinsehen. Ich muß akzeptieren was ist, ob es nun mit angehmen oder unangenehmen Gefühlen verbunden ist.

Die Slums wirken auf mich wie kleine abgeschlossenes Systeme  in einem großen System. Wie Welten in einer bereits bestehenden Welt. Abgegrenzt vom Rest der Stadt. Hier gelten eigene Regeln und Gesetze und doch muß man irgendwie den Kontakt nach draußen halten, um zu überleben.

Weil die hier lebenden Menschen um die allgemein herrschende Nichtakzeptanz und Ablehnung von „draußen“ wissen, schotten sie sich scheinbar in solchen Slums ab.

Wir draußen wiederum wissen, wie unangenehm die Konfrontation mit dem Elend ist, also bleiben wir lieber fern davon.

Also, wie kann man nun diese beiden Welten zusammen führen? Ich sag euch was, wir müssen nichts zusammenführen, weil wir schon lange EINE Welt sind. Es bedarf lediglich des Hinschauens und der erste Schritt ist schon mal getan. Hinschauen bedeutet „Ich habe ernsthaftes Interesse an dir und am wahren Leben.“ und der Gesehene erkennt  „Da gibt es Menschen, die interessieren sich für mich. So wie ich bin. Vielleicht brauch ich mich nicht abzuschotten.“

Die Reaktionen der Menschen, die zunächst einen skeptischen und vorsichtigen Blick auf uns richteten und dann von jetzt auf gleich ins Gegenteil umschwenkten, waren der beste Beweis dafür. Ebenso wie die Erkenntnis für mich, ja, ich kann es aushalten hinzuschauen und dafür dann auch noch mit einem (ach was sag ich, mit vielen) herzlichen „Jambos“ belohnt zu werden. Hingucken ist manchmal wirklich unangenehm, aber es bringt nicht um. Im Gegenteil, ich habe das Gefühl, dem wahren Leben noch nie so nah gewesen zu sein. Das soll jetzt kein Aufruf  sein „Hey, müßt alle unbedingt nach Afrika kommen, denn nur so könnt ihr die Welt verbessern.“ So soll das von mir dargestellte nicht zu verstehen sein, denn es gibt auch genug Leid in unserer schönen Welt. Und sei es nur jemand zuzuhören, dem es schlecht geht. Einfach nur da sein und ernsthaftes Interesse an dem jenigen bekunden und ihn zu akzeptieren, so wie er jetzt gerade ist, mit all seinem Kummer. Und schon gibt’s wieder einen Menschen mehr, der sich nicht abzuschotten braucht – wo auch immer.  Dazu bedarf es keiner langen Reise in einen anderen Kontinent.

Ich habe darauf verzichtet durch den Slum zu laufen und sämtliche Fotos für das Fotoalbum oder die Welt da draußen zu machen, weil ich es für mehr als unangebracht hielt, diese Menschen wie Tiere in einem Zoo zu fotografieren . Außerdem  gibt es  genug Bilder von solchen Slums und jeder hat in etwa eine Vorstellung davon, wie es dort aussieht. Ich habe versucht, meine Erfahrungen so detailgetreu wie möglich darzustellen, aber sie werden nie eure eigenen Wahrnehmungen ersetzen können.

Am Samstag bin ich in Kenia angekommen und bis Dienstag habe ich gebraucht, um auch mental anzukommen.

Kwa heri na tutaonana upesi  :-)  (Auf wiedersehen und bis bald),

Astrid

3 Kommentare:

  1. Hey mein Liebes, ich bin überwältigt was Du uns allen berichtet hast, mit Gänsehaut inbegriffen.
    Du hast dieses für mich so rüber gebracht als wäre ich neben Dir gegangen und es live miterlebt.
    Ich freue mich sehr wenn Du wieder zu Hause bist und mir von Dort erzählst :))))). Aber davon abgesehen habt Ihr 2 Süssen eine grandiose Schriftsteller-Ader,alle Achtung.

    Meine liebe Astrid,
    ich drücke Dich ganz ganz feste und wünsche Euch Beiden noch restliche wunderschöne Tage mit vielen neuen Eindrücke.

    Bis dann und viele Bussi's,

    Deine Mama

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  2. Liebe Astrid,
    ich bin tief berührt von dem was du schreibst. Passt bitte auf euch auf und kommt gesund wieder.

    Sandy

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  3. Aachen, den 01.04.2012

    Hi liebe Astrid und lieber Andy,

    wir sind weiterhin sehr beeindruckt, was ihr erlebt und wie hautnah Ihr das auch beschreiben könnt. Einfach toll. Man kann hier zuhause alles richtig miterleben.
    Wir wünschen Euch für Eure weitere Zeit - jetzt in Nairobi - viel Kraft, auch viel Erfolg bei der Arbeit mit den Kindern.
    Bleibt gesund und munter und lasst bald wieder von Euch hören.
    Wir haben Euch ganz viel lieb

    Paps und Gisela
    P.S. Haben Oma u. Opa Grüße bestellt, auch zurück und den beiden geht es gut.

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